7 gegen Langeweile (Episode 3)

Seit zwei Wochen leben wir im neuen Lockdown light und damit man sich nicht 24/7 langweilen und die eigenen Tränen an den Unmengen Klopapier, die man gehortet hat, trocknen muss, gab es an den letzten sowie an den kommenden Sonntagen jeweils 7 Tipps (einen für jeden Tag) gegen die Langeweile aus den Bereichen Filmen, Bücher/Comics, (Brett)Spiele & Podcasts.

Also, machen wir es wie die Menschen aus Boccaccios „Decamerone“, die sich vor der grassierenden Pest in den Schutz eines Landhauses zurückziehen und bis zum Ende der Krankheit ausharren, während sie einander Geschichten erzählen. Nur dass wir uns in diesem Fall die Geschichten lieber erzählen lassen – von den sieben besten Videospielen:

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Monkey Island 1+2 (Point-and-Click, Scumm, 1990/1991)
Vorsicht, hinter dir – ein dreiköpfiger Affe! Keine Liste der besten Videospiele ohne ein Point-and-Click-Adventure aus der Schmiede von LucasArts! Zugegeben: Es fiel mir nicht leicht, zwischen den vielen guten Pixel-Adventures von LucasArts oder anderen Studios (wie z.B. Simon the Sorcerer, Maniac Mansion, Sam‘n‘Max oder Day of the Tentacle) abzuwägen, aber der Pokal geht dann letzten Endes doch an unseren liebenswerten Piraten Guybrush Threepwood, der zehn Minuten lang die Luft unter Wasser anhalten kann und in Gegenwart von Elaine Marley stets seine Ausdrucksfähigkeit verliert.
Aber worum geht‘s in diesen Pixelparadiesen fürs Auge? Teil 1, The Secret of Monkey Island: Der junge Guybrush möchte auf Melée Island Pirat werden und erfährt schnell, dass er hierfür lediglich drei klassische Piraten-Prüfungen bestehen muss: Stehlen, Kämpfen und einen Schatz finden. Auf dem Weg zu seinem Piratendiplom grätschen ihm jedoch nicht nur seine romantischen Gefühle für die junge Gouverneurin Elaine Marley, sondern auch der gruselige Geisterpirat LeChuck dazwischen, sodass seine Abenteuer einige Um- und Abwege mit sich bringen (inklusive kannibalischer Inselbewohner, Malzbier und eben auch einem dreiköpfigen Affen).
Teil 2, Monkey Island 2 – LeChuck‘s Revenge: Eigentlich ist Guybrush nur auf der Suche nach dem sagenumwobenen Schatz „Big Whoop“, als es einem ehemaligen Gehilfen von LeChuck durch einen blöden Umstand gelingt, den totgeglaubten Geisterpiraten wiederzubeleben (retrospektiv lassen sich einige Parallelen zur Wiedergeburt von Lord Voldemort durch seinen Gehilfen Wurmschwanz in Harry Potter and Goblet of Fire nicht verleugnen). Und so muss sich Guybrush erneut in die Schatzsuche und in den Kampf gegen LeChuck werfen.
Die Spiele sind Kult, also wundert euch nicht, wenn euch schon mal ein Hardcore-Fan Dinge wie „Du kämpfst wie ein dummer Bauer!“ hinterher ruft und antwortet auf die einzig richtige Weise: „Wie passend. Du kämpfst wie eine Kuh.“

Don‘t starve (Survival, iOS/Windows/PS4, 2013)
Kein Tutorial, keine Erklärung. Nur ein mysteriöser Ladebildschirm im Tim Burton-Stil, der einen schon durch seine Untertitel (etwa „Generating Wilson‘s Beard oder „Crafting a keen sense of despair“) verwirrt, noch bevor uns – bzw. Der Spielfigur Wilson – ein skurriler Mann erklärt, wir sollen schnell zusehen, dass wir etwas zu Essen finden, bevor die Nacht einbricht. Und los geht die Wanderung durch seltsame Landschaften, vorbei an kuriosen (und meist auch gefährlichen) Tieren wie den Beefalos oder Pengulls. Bereits in der ersten Nacht (oder zumindest kurz nach Start des ersten Spiels) stirbt man dann meist als unterfahrender Spieler (z.B. weil man es nicht lassen konnte, einen Beefalo zu jagen) und wird alsbald mit dem zentralen Spielprinzip vertraut gemacht: Wenn man einmal stirbt, ist der Spielstand und damit auch sämtlicher Fortschritt verloren (ein sogenannter Perma-Death in der Spielebranche), und die Welt sieht beim erneuten Versuch wortwörtlich ganz anders aus – denn hier wird wirklich alles nach dem Zufallsprinzip neu generiert, sodass es sich nicht lohnt, sich auf der Map zu merken, wo man zuletzt viele Karotten gefunden hat. Don‘t Starve hat keine Story, keine Quests – sondern nur eine Open World, die es zu erkunden gilt, und zwei ganz simple Regeln: Sammle genug zu Essen, sonst verhungerst du, und zünde bei Einbruch der Nacht immer ein Feuer an, sonst kriegen dich die Schattenmonster. Der Wiederspielwert ist ebenso hoch wie die Frustration – denn wenn man sich gerade endlich einmal eine kleine Basis aufgebaut hat und dann von den Wölfen gefressen wird, möchte man das Endgerät, auf dem man spielt, schon einmal aus dem Fenster werfen.
Dennoch: Das Spiel hat einen so eigenen Charme und bietet so viel zu entdecken (nicht nur an fiktiver Flora und Fauna ober- wie unterirdisch, sondern auch im extrem vielseitigen Crafting), dass man nicht so schnell aufgeben sollte. Insbesondere die anderen Spielfiguren, die man durch immer längeres Überleben in der Wildnis freispielen kann, machen jede Partie unterschiedlich. Und auch wenn ich das Spiel schon seit Jahren spiele, könnte ich nicht behaupten, schon alles entdeckt zu haben, was das Spiel bietet.
Mein Tipp: Mit Woodie (muss erst freigespielt werden) spielen und direkt mal ganz viele Bäume hintereinander fällen…

What remains of Edith Finch (Walking Simulator, PS4/Windows, 2017)
Viel Zeit braucht man für dieses Meisterwerk nicht – in etwa zwei Stunden hat man die Familiengeschichte um die Titelfigur bereits durchgespielt und bleibt mit ganz großer Ehrfurcht vor diesem Storytelling auf der Couch sitzen. Für klassische GamerInnen muss der Walking-Simulator erst einmal eher langweilig daherkommen, denn viel mehr als die Figur aus der Ego-Perspektive durch ihr Elternhaus zu steuern und mit dem ein oder anderen Gegenstand interagieren zu lassen, geschieht erst mal nicht. Und doch gehört What remains of Edith Finch meiner Meinung nach in jedes (digitale) Spieleregal, weil es sich an kreativen Ideen und innovativen Spielmechanismen geradezu überschlägt.
Schon in den ersten Spielminuten erfahren wir, dass diverse Familienmitglieder der Protagonistin in der Vergangenheit durch teils mysteriöse, bzw. tragische Umstände ums Leben gekommen sind und aus diesem Grunde behauptet wird, es läge ein Fluch auf der gesamten Familie. Edith ist nun auf der Suche nach der Wahrheit und kehrt in ihr längst verlassenes Elternhaus zurück, wo sie sich Raum für Raum durch die Vergangenheit ihrer Familie arbeitet und jede Todesgeschichte auf eine andere Weise erlebt. Diese Geschichten-in-der-Geschichte sind alle so unterschiedlich und gleichzeitig alle so großartig, dass es unmöglich ist, die Genialität nur durch ein Beispiel zu verdeutlichen. Aus Platzgründen möchte ich jedoch mit einem Beispiel teasern: Wenn wir Ediths Bruder Lewis bei seiner täglichen, monotonen Arbeit in einer tristen Konservenfabrik spielen, müssen wir mit dem einen Analogstick jene monotonen Tätigkeiten ausführen und gleichzeitig mit dem anderen eine Fantasiegeschichte von ihm spielen, mit der er sich das Leben schön redet. Was hier und in vielen anderen Geschichten auf der Storyebene passiert und wie clever verschiedene Perspektiven ineinander verwoben werden, ist wirklich meisterlich und sollte bestenfalls am Stück erlebt werden.
Eine kleine Warnung, bevor ihr gleich damit loslegt: Einige der Stories gehen wirklich unter die Haut und ans Herz.

Lifeline: Experiment/Whiteout (Textadventure, iOS/Android/Windows, 2016)
Ein Fremder sendet euch Nachrichten über ein Speech-to-text-device auf euer Handy und braucht eure Hilfe bei wichtigen Entscheidungen, die im schlechtesten Fall eben auch zum frühzeitigen Tod der fiktiven Figur und somit auch zu einem abrupten Ende des Textadventures führen können. Aber zum Glück alles kein Problem, man kann in jenem Fall auch bequem bis zu jeder beliebigen Entscheidung zurückspulen und den Plotfaden wieder aufgreifen.
Die größte Stärke dieses Textadventures entfaltet sich ohne Zweifel, wenn man es auf dem Smartphone spielt – denn die Nachrichten vom o.g. Fremden erscheinen wie Kurznachrichten in Echtzeit direkt auf dem Handy, selbst wenn man gerade eigentlich etwas ganz anderes macht. So entstehen spannungsgeladene Pausen für den/die SpielerIn in der Story, da manche Aktivitäten, zu denen man V geraten hat, eben nicht in einer Minute erledigt sind (wie zum Beispiel ein Helikopterwrack suchen).
Das Ausgangsszenario ist dabei folgendes: V (dieser Name steht anscheinend auf dem Anzug, den er trägt) befindet sich auf einem zugefrorenen See und scheint an akuter Amnesie zu leiden, denn er weiß nicht, wer er ist, wie er hier hin gekommen ist und wer die bewaffneten Menschen sind, die ihn jagen. Durch die Hetzjagd im Schnee, in verlassene Container oder Laboratorien steuern wir V durch unsere Entscheidungen und warten angespannt auf seine nächsten Nachrichten.
Ich will nicht zu viel vorwegnehmen – insbesondere da es einige sehr beeindruckende Twists gibt. Wer nicht glaubt, dass ein reines Textadventure so fesselnd sein kann, sollte es dringend herunterladen und spielen. Insgesamt begleitet einen Lifeline: Experiment, bzw. Whiteout für einige Tage (je nach dem wie schnell man nach Auftauchen der neusten Nachrichten reagiert und wie oft man zurückspulen musste).

Harveys neue Augen (Point-and-Click, iOS/Android/Windows, 2011)
Und direkt noch ein Point-and-Click-Titel in dieser Liste – aber immerhin noch aus dem letzten Jahrzehnt. Streng genommen ist Harveys neue Augen der Nachfolger von Edna bricht aus und auch wenn ich empfehlen würde, erst den Vorgänger zu spielen, ist es jedoch nicht unmöglich, einfach bei Harveys neue Augen einzusteigen und das Spiel genauso zu genießen. Was beide Spiele natürlich gemein haben, sind der krude Humor (ein altes Erbe der Point-and-Click-Adventures) und die skurrilen Nebenfiguren. Doch was Harveys neue Augen hier noch mal auf die Grundprinzipien von Edna bricht aus drauf setzt, ist die Ausgestaltung der – und das ist vielleicht ein Mini-Spoiler zu den ersten 15 Spielminuten – psychisch sehr fragwürdigen Protagonistin Lilli, die unangenehme Wahrheiten einfach nicht wahrhaben will (und die deswegen für uns wie für Lilli durch süße Zensurgnome auf dem Bildschirm mit pinker Farbe überpinselt werden). Ohne diese Zensur sähe der Titel sicher nicht halb so unschuldig aus und würde sicherlich auch ein anderes Zielpublikum ansprechen.
Lilli ist zum Spielstart eine harmlose, sehr schüchterne Klosterschülerin, die leider unfreiwillig den ein oder anderen tragischen Unfall zu verschulden hat. Eines Tages taucht Dr. Marcel – Ednas Gegenspieler aus dem Vorgänger – mitsamt Plüschhase Harvey auf, dem er die titelgebenden neuen Augen zur Hypnose, bzw. Therapie ungehorsamer Kinder eingesetzt hat. Der Rest des Spiels, bei dem es unter anderem das plötzliche Verschwinden von Edna aufzuklären gilt, besteht zum Großteil darin, dass wir uns als Lilli dieser Hypnose und den uns damit indoktrinierten Verboten zur Wehr setzen müssen. Die Rätsel sind hierbei nicht annähernd so vertrackt und teilweise absurd wie in den Point-and-Click-Adventures der ersten Stunde und auf alle Fälle lösbar. Das Ende ist ganz großes Kino und Dr. Freud hätte ebenfalls seinen Spaß an Harveys neuen Augen gehabt!

Inside (Jump’n‘run, iOS/Android/Windows, 2016)
Wer es gerne abgeschlossen und ohne offene Fragen mag, Finger weg! Das etwa zweistündige Inside liefert zum Abspann keine Erklärungen zu dem, was man bis dahin auf dem Bildschirm gesehen hat, und lässt den/die SpielerIn mit den eigenen Interpretationen alleine.
So muss man also selber versuchen, das mysteriöse Storypuzzle und auch die vielen Rätseln on screen zu lösen. Rätselhaft beginnt Inside bereits mit dem namenlosen kleinen Jungen, den wir in guter alter 2D-Manier von einer Bildschirmseite zur anderen steuern. Das Setting ist dabei vom ersten bis zum letzten Screen trist und düster (Wald, bzw. später ein riesiger Fabrikkomplex) und erinnert eher an dystopische Werke wie 1984 oder Brave New World. Unsere Gegenspieler sind mal gesichtslose Erwachsene, die uns mit Taschenlampen jagen, wildgewordene Schweine oder anmutig aussehende Unterwassermenschen – die Szenen, in denen wir scheitern, also gefangen werden, sind trotz ihrer einfachen Grafik stets erschütternd und unheimlich. Jedes weitere Wort über dieses – zugegebenermaßen unübliche – Jump‘n‘run-Spiel wäre zu viel gesagt!

The Walking Dead: The Game, Season 1 (Adventure, iOS/Android/Windows, 2012)
Es gab in der Vergangenheit viel Trubel um die Adventure-Reihe zu Kirkmans Comicvorlage und der gleichnamigen TV-Adaption. Ganz im Sinne des transmedialen Erzählens ergänzt das Spiel die Storyworld um die bedrohliche Zombieapokalypse durch weitere Figuren und Handlungsorte und hält KennerInnen der Comics und Serie durch Auftritte bekannter Figuren bei Laune.
Staffel 1 (bestehend aus fünf Episoden) dreht sich um Lee, der eigentlich im Gefängnis hätte sein sollen, wäre der Streifenwagen mit ihm auf dem Rücksitz nicht glücklicherweise verunglückt. Bei seinen Streifzügen durch die naheliegende Wohnsiedlung trifft er auf das wohl sympathischste Kind der Videospielgeschichte: die achtjährige Clementine, die sich nach dem Ableben ihres Babysitters in ihrem Baumhaus verschanzt hat und nun ihre Eltern, die Familie in Savannah besuchen wollten, finden möchte.
Damals, als ich das Spiel zum ersten mal gespielt habe, zogen sich diese Spielesessions gut und gerne mal bis tief in die Nacht – zum einen weil die Story so spannend ist und durch die eigenen Entscheidungen an wichtigen Sequenzen der weitere Verlauf der Handlung negativ wie positiv beeinflusst wird. Zum anderen weil man nicht in der Lage ist, zu einem selbstgewählten Zeitpunkt zu speichern, sondern immer auf das Autosave-Symbol am Bildschirmrand warten muss.
Wer Staffel 1 zum ersten mal durchspielt: Auf das Schlimmste gefasst machen…