7 gegen Langeweile (Episode 1)

Es ist soweit: Am Montag startet der neue Lockdown light und damit man sich nicht 24/7 langweilen und die eigenen Tränen an den Unmengen Klopapier, die man gehortet hat, trocknen muss, gibt es an den kommenden vier Sonntagen jeweils 7 Tipps (einen für jeden Tag) gegen die Langeweile aus den Bereichen Film, Bücher/Comics, (Brett)Spiele & Podcasts.

Also, machen wir es wie die Menschen aus Boccaccios „Decamerone“, die sich vor der grassierenden Pest in den Schutz eines Landhauses zurückziehen und bis zum Ende der Krankheit ausharren, während sie einander Geschichten erzählen. Nur dass wir uns in diesem Fall die Geschichten lieber erzählen lassen – von den sieben besten Filmen der letzten zehn Jahre:

Joker (Todd Phillips, 2019): Auch ein schöner Film, um sich selbst daran zu erinnern, dass Menschen meistens nicht sonderlich nett sind (und es dementsprechend gar nicht schlimm ist, dass man momentan nicht so viele davon sehen kann). Was soll man darüber hinaus zum Film sagen? Im Kino hat mich „damals“ die düstere, ausweglose Stimmung des Films bereits in den ersten fünf Minuten in den Bann gezogen. Zu viele Szenen, als dass ich sie alle aufzählen könnte, gehen extrem unter die Haut (wie zum Beispiel die Einstellung, in der wir Arthur dabei zusehen, wie er in aller Seelenruhe seinen Kühlschrank ausräumt und dann hineinklettert). Nicht zu vergessen natürlich auch die legendäre Treppenszene (mein Beileid an alle Anwohner, deren Eingangsbereich nun zum Pilgerort für Fans aus aller Welt geworden ist). Nebenbei auch noch einen kleinen Bruce Wayne und Frances Conroy im Schlepptau, die ich immer gerne in tragischen Rollen gesehen habe (etwa als Dienstmädchen in der großartigen ersten Staffel von American Horror Story oder als einsame Familienmutter in Six Feet Under). Apropos tragisch: Mich ergreift immer noch ein eiskalter Schauer, wenn ich sehe, wie sich Joaquin Phoenix körperlich zum abgemagerten, kantigen Arthur Dent transformiert hat.
Und wer nicht genug vom Joker kriegen kann: Eine großartige und packende Origin-Story zu Batmans bestem Gegenspieler gibt es nächsten Sonntag, wenn in Episode 2 meine Lieblingscomics vorgestellt werden.
Bis dahin, let‘s put on a happy face.

Swiss Army Man (Daniel Kwan & Daniel Scheinert, 2016): Ja, es ist der Film mit Harry-Potter-Daniel-Radcliffe in seiner Rolle als furzende Leiche. Ja, es klingt völlig absurd und eher nach Pipi-Kaka-Humor à la American Pie. Aber: Lässt man sich einfach mal darauf ein und hält die ersten 15 Minuten wacker durch, während Daniel Radcliffe durch seine lautstarken Flatulenzen als Jetski fungiert, wird man belohnt. Swiss Army Man schafft es nämlich irgendwie trotzdem nicht nur visuell zu begeistern, sondern auch durch seinen nachdenklichen Soundtrack. Was bleibt ist eine überraschende Mischung aus Galgen- & Fäkalhumor und enorm viel Melancholie. Diese Gratwanderung zwischen lustig und zu Tode betrübt lässt sich auch gut durch die zentrale Frage, die als Motiv durch den Film führt, zusammenfassen: „If my best friend hides his farts from me then what else is he hiding from me, and why does that make me feel so alone?“ Wohin das alles führt, soll aus Spoilergründen an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden – nur so viel: Swiss Army Man bietet einen wirklich andersartigen Blick auf ein Thema, das man in dieser Hülle ganz sicher nicht erwartet hätte. Vielen Dank, Daniel Radcliffe, für deine Meisterleistung mit der eingeschränktesten Mimik, die ich je an dir gesehen habe (selbst im direkten Vergleich zu deiner Kussszene mit Cho Chang in Harry Potter and the Order of the Phoenix). Und wer noch weitere Eindrücke zu dem Film haben will – HIER gibt es ein nettes Interview mit Daniel Radcliffe zu seiner Rolle als Leiche.

Knives out (Ryan Johnson, 2020): Wochenlang wollte ich diesen Film im Kino sehen, habe es immer wieder aufgrund anderer Termine verschoben und dann kam Corona. Somit habe ich Knives Out erst vor zwei Wochen auf Rat meines Bruders gesehen und kann seine Empfehlung nur weitergeben. Der Film macht eigentlich alles richtig und hält sich an die wichtigsten Zutaten eines Murder Mystery: eine klassische (und verschrobene) Detektivfigur, die – zugegebenermaßen – doch noch ein wenig passender mit jemand anderem als Daniel Craig hätte besetzt werden können (zum Beispiel mit Martin Freeman), ein großes Set an skurrilen Familienmitgliedern, die allesamt aus unterschiedlichen Gründen verdächtig sind, und mehrere Plot-twists auf 130 Minuten. Mein persönliches Highlight: Großmutter Nana alias K Callan mit ihrem todschicken Fuchspelz.

Parasite (Bong Joon-ho, 2019): Schon lange im Voraus habe ich eine Rezension zu dem späteren vielfachen Oscarpreisträger gelesen und bin rückblickend entzückt darüber, dass ich es im Gegensatz zu Knives Out noch ins Kino geschafft habe. Wenn es Filme gibt, bei denen ich dringend zu einem Kinobesuch raten würde, dann wäre Parasite mit Sicherheit ganz oben auf der Liste. Es ist einfach bemerkenswert, wie es John-ho schafft, den Sinn, der beim Filmerlebnis eigentlich per definitionem ausgeklammert ist, auf die Leinwand zu bringen und so die vielen Gerüche, die zum zentralen Motif des Films gehören, spürbar zu machen (mehr hierzu auch in diesem Artikel des Guardians). Wer noch auf der Suche nach Themen für seine Masterarbeit ist, bekommt hier ordentlich Futter geliefert.

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (Martin McDonagh, 2018): Ich gestehe – lange hat mir der Name Frances McDormand nicht viel gesagt (Schande über mein Haupt) und das, obwohl ich schon seit Erscheinung großer Fan von Burn after Reading bin. Dann kamen Fargo und Moonrise Kingdom und als ich dann Three Billboards Outside Ebbing, Missouri gesehen habe, war ich schon auf eine Meisterleistung eingestellt. Dass einfach nebenbei auch noch etliche männliche Kollegen von Frances McDormand eine schauspielerische Leistung zum Niederknien darbieten würden, hätte ich mir in meinen wildesten Träumen nicht auszumalen gewagt. Ich möchte natürlich nichts vorwegnehmen (weshalb ich auf die größten Momente von Woody Harrelson und Sam Rockwell nicht weiter eingehen kann), aber die Story ist schnell zusammengefasst: Eine Mutter, deren Tochter grausam ermordet wurde, mietet drei große Werbetafeln und klagt hierauf öffentlich und für alle lesbar die ortsansässige Polizei an, die den Fall ohne Spur zu den Akten gelegt hat. Was sich aus dieser – offenbar wahren – Grundkonfiguration entspinnt, ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle mit unerwartetem Ende.

A Monster Calls (Juan Antonio Bayona, 2017): Die Frage „Buch oder Filmadaption“ spaltet für gewöhnlich die Menge, doch ich möchte den Fall von A Monster Calls nutzen, um die Vorteile beider medialer Formen zu betonen. Natürlich werden viele Menschen bei der Beurteilung einer Veröffentlichung die ursprüngliche Form, also das Original, bevorzugen und so ganz falsch liegen sie damit natürlich nicht. Eine Geschichte, die zuerst in Form eines Romans erzählt wird, funktioniert eben durch ihre Entstehung im selben Medium am besten mit den Erzählmechanismen, die diese Form ihr bietet. Ein Transfer in ein anderes Medium funktioniert häufig nicht sonderlich gut, insbesondere wenn man eigentlich nur Szene für Szene „übersetzt“ (ein gutes Negativbeispiel sind etwa die eben bereits erwähnten Harry Potter Filme). Bei A Monster Calls habe ich beide Formen (Roman und Film) gleichermaßen genossen und das, weil die Geschichte um Connor, den des Nachts ein großes Monster in Gestalt eines Baumes aufsucht, um ihm Geschichten zu erzählen, auf beide Arten so wunderbar funktioniert. Der Film punktet hierbei durch eine wirklich tolle visuelle Inszenierung in Aquarelloptik, die sehr gut zu den Geschichten passt und das düstere Thema, das hinter der Fantasy-Fassade lauert, mit kräftigen Pinselstrichen unterstreicht. Mein Tipp: Unbedingt Taschentücher bereitlegen!

Get Out (Jordan Peele, 2017): Was habe ich mich gefreut, als mit diesem Film endlich mal (wieder?) ein Horrorfilm mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Wenn man mich fragt, ist das Horrorgenre in vielfacher Hinsicht völlig unterschätzt und erhält – aufgrund zahlreicher Vorurteile und schlechter, aber sehr bekannter Beispiele – nicht die Aufmerksamkeit, die es verdient hätte. Wer sich also nie so wirklich zu diesem Genre berufen gefühlt hat und immer nur an die allseits bekannte Formel „verrückter Killer jagt eine Gruppe Teenager im Wald und am Ende überlebt nur die Jungfrau“ denken muss, wenn er/sie Horror hört, möge einfach mal die Füße hoch und Get Out einlegen. Man bekommt hier zwar kein abscheuliches, blutrünstiges Monster (à la Predator oder The Descent) oder den Messer/Hammer-schwingenden Psychopathen (à la American Psycho oder Scream), aber dafür eine sehr intelligente Verhandlung von Rassismus, der sich erst wahnsinnig subtil und so unauffällig unter die Haut schleicht, dass man sich über alle Maßen von Unbehagen gequält wird, aber einfach nicht so richtig den Finger in die Wunde legen könnte. Ein Wahnsinns-Film, der wirklich im Gedächtnis bleiben muss.

Und damit verbleibe ich für den heutigen Sonntag und wünsche euch viel Spaß mit diesen Perlen der Filmgeschichte!

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